Redebeitrag 3 auf unserer Demonstration zum Safe Abortion Day: Die USA nach dem Falle von Roe v.s Wade

Am 25. Juni dieses Jahres entschied der deutsche Bundestag die Streichung des Paragrafen 219a aus dem Strafgesetzbuch – das Informationsverbot für Schwangerschaftsabbrüche. Ein kleiner Schritt nach vorn. Die Freude war nur von kurzer Dauer. Denn am selben Tag kippte der Oberste Gerichtshof der USA das liberale Abtreibungsrecht. Der mehrheitlich konservativ besetzte Oberste Gerichtshof in Washington machte den Weg frei für strengere Abtreibungsgesetze, indem er die Grundsatzentscheidung „Roe v. Wade“ von 1973 revidierte. Die Kompetenz zur Regelung von Abtreibungen liegt nun wieder in den Händen der einzelnen Bundesstaaten. Damit ist das Recht auf Abtreibung in den Vereinigten Staaten nach fast einem halben Jahrhundert Geschichte. Ein unfassbar großer Rückschritt.

Zahlreiche republikanisch regierte Bundesstaaten hatten für den Fall, dass Roe v. Wade kippt, bereits ein Abtreibungsverbot vorbereitet, das nun automatisch in Kraft trat. Für diesen Redebeitrag habe ich recherchiert, in welchen der 50 Bundesstaaten inzwischen welche Regelung gilt. Bei der New York Times wurde ich fündig. Obwohl ich in etwa wusste, was mich erwartet, war ich doch schockiert, als ich es dann schwarz auf weiß las. Die Bundesstaaten sind alphabetisch sortiert. Die Auflistung beginnt mit Alabama. Daneben steht “Banned” und “Abortion is banned with no exceptions for rape or incest.”, d.h. in Alabama ist ein Schwangerschaftsabbruch ausnahmslos verboten, selbst bei Vergewaltigung oder Inzest. So geht das weiter mit Arkansas, Kentucky, Louisiana, Missouri, Mississippi, South Dakota, Tennessee und Texas.
In vielen weiteren Bundesstaaten wird der Kampf um den Zugang zur Abtreibung aktuell noch in den Gerichtssälen ausgetragen. Einige Klagen verhindern aktuell das Inkrafttreten von Gesetzen, die den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen einschränken oder ganz verbieten würden.

Die Aufhebung von »Roe v. Wade« kann man als den bedeutendsten Triumph der US-Rechten der letzten Jahrzehnte einordnen. Auf diesen Erfolg hat sie sehr lange aber beharrlich hingearbeitet: durch den Aufbau von Lobbygruppen und ThinkTanks sowie durch die Besetzung wichtiger Justizposten mit ultra-konservativen Richter*innen. Begleitet wurde dieser Machtaufbau von Bedrohungen und Gewalt: durch Belagerungen von und Brandanschläge gegen Abtreibungskliniken sowie Drohungen und Mordanschläge auf Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführten.

Wie ist es nun seit dem Ende von Roe vs. Wade in den USA weitergegangen? Einerseits stimmte Anfang August bei einem Referendum in Kansas die Mehrheit der Bevölkerung für den Erhalt von Abtreibungsrechten und sorgte damit für eine große Überraschung. Denn Kansas gehört zu den konservativen Staaten, und das Referendum eingebracht hatten Abtreibungsgegner*innen.
Andererseits hat der republikanische Senator Lindsey O. Graham Mitte September einen Gesetzentwurf eingebracht, der Abtreibungen nach der 15. Schwangerschaftswoche landesweit verbieten würde – und damit auch in den demokratischen Bundesstaaten, in denen Abtreibungen weiterhin legal sind.

Wie Aktivist:innen in den USA mit der aktuellen Situation umgehen, könnt ihr übermorgen erfahren. Auf einem internationalen Podium wird es am Freitag den 30.09. um die Geschichte und Gegenwart des Abtreibungstourismus gehen, u.a. mit Gästen aus den USA. Die Online-Veranstaltung beginnt 18:00 Uhr. Informationen dazu findet ihr auf unserem Blog pro-choice-sachsen.de oder auf twitter und facebook.

Und was lernen wir aus der aktuellen Situation in den USA? Die Hände in den Schoss zu legen ist keine Option: Wir müssen aktiv für unsere reproduktiven Rechte eintreten, für legalen, sicheren, wohnortnahen und kostenlosen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen, die Teil der normalen Gesundheitsversorgung sein müssen. Wenn wir für diese Rechte nicht offensiv eintreten, verlieren wir am Ende noch die derzeit gültige Regelung von 1993, die Straffreiheit unter der Bedingung von Beratungszwang zusichert. Die Fundamentalist*innen sind jedenfalls auch hierzulande bereits seit Jahren mobilisiert und setzen sich für ein Totalverbot ein. Dass sie damit Erfolg haben könnten, erscheint uns jetzt nur so unwahrscheinlich, wie es auch noch vor Kurzem in den USA zu sein schien.