Redebeitrag 1 auf unserer Demonstration zum Safe Abortion Day: Sozial engagierte Abtreibungsgegnerinnen – der Verein Kaleb Dresden

Wir stehen jetzt in Höhe der Bautzener Straße Dresden 52. Hier befindet sich der Verein Kaleb Dresden. Das Akronym Kaleb steht für “Kooperative Arbeit Leben Ehrfürchtig Bewahren”. Bei Kaleb handelt es sich um die erste Abtreibungsgegner-Organisation, die 1990 nach dem Ende der DDR in den neuen Bundesländern gegründet wurde. Inzwischen gibt es bundesweit 35 Anlaufstellen, davon mit Abstand die meisten in Sachsen mit 11 Standorten – neben Dresden bspw. in Chemnitz, Bautzen, Plauen und Görlitz. Für Kaleb ist Abtreibung gleichbedeutend mit Kindstötung. Das gesamte soziale Engagement dieser christlichen Lebensrechtsorganisation gründet sich auf dieser Prämisse. So bietet sie vor allem Unterstützung und Hilfestellungen für Schwangere in sozialer und finanzieller Not und Familien mit geringem Einkommen an.

Unter diesen Angeboten findet sich auch das der Schwangerschaftsberatung. Einige Standorte, darunter auch Kaleb Dresden, werden vom Freistaat Sachsen seit Jahren als staatlich anerkannte Beratungsstellen gelistet und entsprechend finanziell gefördert. Das Angebot von Kaleb umfasst neben Hilfestellungen zu Elternzeit, Eltern- und Kindergeld, Fragen des Sorgerechts und Unterhalts usw. auch die Beratung im Falle des Schwangerschaftskonflikts: „Ermutigung und Suche nach Perspektiven im Schwangerschaftskonflikt“, heißt es auf der Website von Kaleb Dresden, und dann, in Klammern: „ohne Beratungsbescheinigung“. Und genau hier liegt das Problem: Hierbei handelt es sich nicht um die laut deutschem Strafgesetz vorgeschriebene Schwangerschaftskonfliktberatung, eine der notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen für einen straffreien Abbruch. Diese Beratung mit Ausstellung eines Beratungsscheins sollte ergebnisoffen sein, was bei Kaleb keinesfalls der Fall ist. Für den Standort Kaleb Chemnitz zeigte dann auch wenig überraschend eine mdr-Fernsehdokumentation von 2021 auf, wie Frauen in der Beratung unter Druck gesetzt, stigmatisiert und zur Fortsetzung der Schwangerschaft gedrängt wurden. Wir nennen das Angebot von Kaleb daher eine ergebnisunoffene Beratungsfalle und fordern die Aberkennung aller Kaleb-Standorte als staatlich anerkannte Schwangerschaftsberatungsstellen. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist die Einrichtung einer Pro-Familia-Beratungsstelle in Dresden, wie sie Pro Choice Dresden und Pro Choice Sachsen schon seit langem forderten. Pro Familia lehnt eine unter Strafandrohung erzwungene Beratung ab und plädiert stattdessen für eine Freiwilligkeit, berät ergebnisoffen und unterstützt schwangere Personen unabhängig von ihrer Entscheidung für oder gegen die Schwangerschaft. Seit Mai dieses Jahres gibt es endlich eine solche Pro-Familia-Beratungsstelle, auf der Bernhardstraße 35 in der Dresdener Südvorstadt. Das eigentliche Problem stellt aber sowieso die Maßnahme der gesetzlich vorgeschriebenen Schwangerschaftskonfliktberatung dar – diese gehört als Teil des § 218, als bevormundende Gängelmaßnahme grundsätzlich abgeschafft. Schwangerschaftsberatung hat immer freiwillig, kostenfrei und ergebnisoffen zu sein!

Doch noch einmal zurück zum Kaleb Dresden: Der Verein pflegt ganz klar ein anderes Image als der Chemnitzer Standort, dessen Betreiber*innen auch mit der rechten Szene der Stadt verbandelt sind. Kaleb Dresden hingegen ist ein beliebter Treffpunkt des alternativen Neustadtmilieus und gilt nicht nur als ausgesprochen sozial, sondern mit seinen Angeboten für geflüchtete Familien und Frauen auch als antirassistisch und weltoffen. Die ihm zugrundeliegenden Grundsätze der evangelikal-fundamentalistischen Lebensschutzbewegung treten tatsächlich weniger offen zu tage. Sie bilden aber trotzdem klar die Basis seines Handelns; zumindest war dies in der Vergangenheit so. So organisierte Kaleb Dresden viele Jahre Busfahrten zum sogenannten “Marsch für das Leben” nach Berlin, einem jährlichen bundesweiten Aufmarsch radikaler Abtreibungsgegner*innen aus dem religiösen und politisch rechtem Spektrum, dessen Organisator*innen Abtreibung als „Babycaust“ und Gynäkologenstühle als „Massenvernichtungswaffen“ bezeichnen. Seitdem 2016 die Busabfahrt aus Dresden von Pro Choice-Aktivist*innen blockiert wurde, mobilisiert Kaleb Dresden zumindest nicht mehr offen über seine Website zu dieser Veranstaltung. Ob sich seitens der Betreiber*innen wirklich ein Sinneswandel vollzogen hat, lässt sich nicht nachprüfen. Eventuell scheint sich aber im Selbstverständnis des Vereins etwas gedreht zu haben. Dort steht zwar zunächst weiterhin: „Die Arbeit des KALEB Dresden e. V. dient dem Schutz des Lebens im umfassenden Sinne – dem Schutz des ungeborenen Kindes, des Lebens der Frau und der Familie.“ Doch dann gefolgt von dem Satz: „Die freie Entscheidung für ein Kind ist jedoch nur möglich, wenn Schwangere eine Wahl haben.“ Diese Aussage ist vieldeutig; sie kann bspw. als bloßer Hinweis auf die Unterstützung und Hilfestellung in finanziellen und sozialen Notlagen gelesen werden. Uns wäre es natürlich lieber, ihn als Pro Choice im Sinne der Autonomie und Entscheidungshoheit der schwangeren Person zu verstehen. Das weltoffene Kaleb Dresden ist sehr gern eingeladen, sich einmal offen dazu zu äußern.